Schlank mit Darmbakterien – Kann unser Darmmikrobiom das?

Mikrobielle-Flora im Darm, Darm-Mikrobiom

Das Darmmikrobiom und sein medizinischer Nutzen: Können Bakterien schlank machen?

Autor: Prof. Dr. med. MSc. Matthias Willmann

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Fettleibigkeit – auch Adipositas genannt – ist wahrscheinlich die weltweit wichtigste Erkrankung in Bezug auf Lebensqualität und vorzeitige Sterblichkeit. Die Zahl der Adipösen hat sich seit dem letzten Jahrhundert weltweit verdoppelt, so dass von einer regelrechten Pandemie gesprochen werden kann. Die damit verbundenen Leiden sind nicht nur körperlicher, sondern oft auch psychischer Natur. Maßnahmen zur Gewichtsreduktion sind zwar oft wirksam, aber nicht bei allen Menschen gleich erfolgreich.

In unserem Fachartikel geben wir einen Überblick über den Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und der Neigung zu Übergewicht. Wir beantworten die Frage, ob unsere Darmbakterien das Abnehmen erschweren oder erleichtern können, und wie wir dies messen und therapeutisch nutzen können.

Die vielfältigen Funktionen des Darmmikrobioms

Unser Darmmikrobiom ist die Gesamtheit der Mikroorganismen und ihrer Gene in unserem Darm. Die 200 Gramm Stuhl im Dickdarm eines durchschnittlichen Erwachsenen enthalten etwa 39 Billionen Bakterien. Der gesamte menschliche Organismus besteht aus etwa 30 Billionen Zellen (1). Damit ist unser Darmmikrobiom nicht nur zellreicher als der Mensch, es enthält auch etwa 150-mal mehr Gene als das menschliche Genom (2).

Dieses „zweite Genom“ ist jedoch nicht scharf vom Menschen getrennt. Die von Bakterien produzierten Stoffwechselprodukte werden vom menschlichen Organismus vielfältig genutzt (Abbildung 1). Neben immunologischen Funktionen, wie der Stimulation des Immunsystems, helfen Bakterien auch bei der Produktion von Vitaminen, bei der Inaktivierung und Hemmung von Toxinen und auch bei der Energiegewinnung (3). Letzteres spielt insbesondere im Zusammenhang mit Fettleibigkeit eine wichtige Rolle. Insgesamt geht man davon aus, dass die Hälfte aller Stoffwechselprodukte im Blut des Menschen direkt oder indirekt von Darmbakterien stammen (4). Dies lässt erahnen, welch großen Einfluss das Darmmikrobiom auf Gesundheit und Krankheit des Menschen hat.

Allgemeine Funktio­nen des Darmmikrobioms für den menschlichen Organismus.

Abbildung 1: Allgemeine Funktio­nen des Darmmikrobioms für den menschlichen Organismus. Etwa die Hälfte aller Stoffwechsel­produkte in unserem Blut wird  direkt oder indirekt von Darm­bakterien beeinflusst.

Adipositas – Krankheitsbild einer bedrohlichen „Pandemie“

Übergewicht (BMI ≥ 25 kg/m2) und Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2) sind ein weltweites Problem. Nach Angaben der WHO leiden ca. 12 % der Weltbevölkerung an Adipositas (5). In den 1990er Jahren waren nur halb so viele Menschen adipös. In Deutschland sind sogar ca. 24 % der Menschen adipös, wobei 67,1 % der deutschen Männer und 53 % der Frauen übergewichtig sind (6).

Seit dem Jahr 2000 wird Adipositas von der WHO als eigenständige Krankheit anerkannt (7). Die Gründe dafür sind vielfältig. So verändert sich die Stoffwechselaktivität des Körpers mit zunehmendem Körpergewicht deutlich. Adipositas gilt daher als Auslöser und Risikofaktor für viele weitere Krankheitsbilder wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Krebserkrankungen, Depressionen und Schmerzsyndrome (8). Angesichts der hohen Sterblichkeitsrate und der mit diesen Krankheiten verbundenen Beeinträchtigung der Lebensqualität handelt es sich wahrscheinlich um die schlimmste „Pandemie“, die die Menschheit je heimgesucht hat.

Darüber hinaus gilt Übergewicht in den westlichen Ländern als eines der häufigsten kosmetischen Probleme. Obwohl Maßnahmen wie kalorienreduzierte Diäten und sportliche Betätigung bei vielen Menschen erfolgreich sind, scheint es zumindest eine Gruppe von Menschen zu geben, die trotz konsequent verfolgter Maßnahmen zur Gewichtsreduktion keinen Erfolg haben. Dieser Artikel untersucht das Darmmikrobiom als eine mögliche Ursache für dieses Phänomen.

Das Zusammenspiel zwischen Darmmikrobiom und Adipositas

Eine der ersten entscheidenden Arbeiten, die den Einfluss des Darmmikrobioms auf das Körpergewicht untersuchte, war eine tierexperimentelle Studie von Turnbaugh et al (9). Hier wurde festgestellt, dass übergewichtige Mäuse mehr Firmicutes-Bakterien im Darm hatten als normalgewichtige Mäuse. Da Firmicutes-Bakterien mehr Enzyme zum Abbau schwer verdaulicher Kohlenhydrate besitzen, vermutete man eine effizientere Kalorienverwertung bei diesen übergewichtigen Mäusen. Zusätzlich transplantierten die Forscher das Darmmikrobiom beider Mausgruppen in keimfreie Mäuse. Die Mäuse, die das Mikrobiom der übergewichtigen Mäuse erhalten hatten, nahmen trotz gleicher Ernährung deutlich mehr an Körpergewicht zu als die Mäuse, die das Darmmikrobiom der normalgewichtigen Mäuse erhalten hatten.

Diese Arbeit war der Auftakt für viele weitere Untersuchungen. In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass sich das Darmmikrobiom adipöser Menschen in einigen Bakteriengruppen von dem normalgewichtiger Menschen unterscheidet (10) (11) (12). Abbildung 2 zeigt nachgewiesenen Unterschiede. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Ergebnisse insgesamt heterogen waren. Es gibt also nicht das „typische Darmmikrobiom des Adipösen“. Adipöse Menschen weisen zwar häufig typische Veränderungen des Mikrobioms auf, aber in der Regel nicht alle bisher nachgewiesenen Veränderungen gleichzeitig. Es kann auch zweiseitige Unterschiede geben. Ein typisches Beispiel sind die Butyrat bildenden Bakterien (SCFA-Bildner). Diese Gruppe kann bei Adipösen sowohl reduziert als auch vermehrt vorkommen (11).

Unterschiede im Darmmikrobiom bei Adipositas

Abbildung 2: Nachgewiesene Unterschiede im Darmmikrobiom von adipösen im Vergleich zu schlanken Menschen. Eine Mikrobiom-modifizierende Therapie (MMT) kann diese Unterschiede verringern und so eine Gewichtsabnahme unterstützen. SCFA steht für „short-chain fatty acid“ (kurzkettige Fettsäuren).  


Diese Studien konnten jedoch nicht klären, ob die Veränderungen des Darm­mikrobioms eine Ursache oder eine Folge der Adipositas sind. Weitere Arbeits­gruppen beschäftigten sich daher mit der mechanis­tischen Aufklärung. Bei adipösen Menschen sind häufig Bakterien­gruppen reduziert, die kurz­kettige Fettsäuren (SCFA) produzieren oder die Darm­wand schützen, z. B. Faecalibacterium prausnitzii und Akkermansia muciniphila. Da SCFA für die Integri­tät der Darmwand wichtig sind, kann eine verminderte Produktion von SCFA zu einer erhöhten Durch­lässigkeit der Darmwand führen (leaky gut). Die häufig folgende systemische Entzündung fördert die Insulin­resistenz und die Lipogenese (13) (14) (15).

Darüber hinaus binden SCFA an den GRP 41/43-Rezeptor der Darm­wand­zellen und fördern dadurch die Ausschüttung von PYY (Peptid Y) und GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1). Diese Boten­stoffe reduzieren die Darm­motilität und können so den Appetit reduzieren und das Sättigungs­gefühl erhöhen (16) (17). Eine Variante der populär gewordenen „Abnehmspritzen“ enthält den Wirkstoff Semaglutid, der ein GLP-1-Agonist ist. Damit ist der Wirk­mechanis­mus des Mikrobioms mit dem des Medikaments vergleichbar. Überspitzt formuliert wirkt ein gesundes Mikrobiom also wie eine „eingebaute Abnehmspritze“. Zudem kann eine ausgewogene Darm­flora Gallen­säuren besser dekonjugieren und in sekundäre Gallensäuren konvertieren, wodurch die Fettresorption weniger effizient wird (18).

Merke: Adipöse Menschen können, müssen aber nicht ein anderes Mikrobiom haben als schlanke Menschen. Eine Dysbiose kann Adipositas jedoch auf vielfältige Weise begünstigen.


Kann man Adipositas durch eine therapeutische Änderung des Darmmikrobioms behandeln?

Die mechanistische Aufklärung war ein weiterer Meilenstein in der Erforschung des möglichen Einflusses des Darm­mikrobioms auf das Körpergewicht. Um jedoch weitere Hinweise auf einen kausalen Zusammen­hang zu finden und gleichzeitig einen möglichen thera­peutischen Effekt zu untersuchen, wurden zahlreiche klinische Studien durchgeführt. Dabei wurden über­gewichtigen Patienten Probiotika oder Synbiotika (Probiotika mit Präbiotika) verabreicht. Diese wurden dann mit einer Kontroll­gruppe verglichen, die ein Scheinmedikament (Placebo) erhielt.

In eine Metaanalyse von Hadi et al. wurden 23 klinische Studien eingeschlossen (19). Nur in fünf dieser Studien wurden neben der Gabe von Synbiotika weitere Maß­nahmen zur Gewichts­reduktion durchgeführt. Das Ergebnis der Meta­analyse spiegelt daher in erster Linie den reinen Effekt der Mikrobiom-modifizierenden Therapie (MMT) wider. Während das Körper­gewicht im Vergleich zur Kontroll­gruppe um weitere 0,8 kg (95 % CI: -1,56 bis -0,03, p = 0,04) reduziert werden konnte, war kein Effekt auf den BMI oder den Körper­fettanteil messbar. Daraus lässt sich schließen, dass der Effekt einer reinen MMT auf die Gewichts­reduktion eher gering zu sein scheint, insbesondere gemessen an dem medizinisch geprägten Ziel einer mindestens 5 %igen Gewichtsreduktion bei Adipositas.

In einer weiteren Metaanalyse wurden 21 klinische Studien mit insgesamt 1233 erwachsenen Patienten untersucht (20). In diesen Studien waren Basis­maßnahmen zur Gewichts­reduktion wie Ernährungs­umstellung, Kalorien­restriktion oder vermehrte körperliche Aktivität Teil des Therapiekonzepts. Zusätzlich wurden Probiotika oder Synbiotika in der Studien­population eingesetzt. Es zeigte sich, dass die Gabe von Probiotika oder Synbiotika die Gewichts­abnahme der Basis­maßnahmen zusätzlich verstärkte. Dies wirkte sich auf Parameter wie Körper­gewicht und Körper­fett­anteil aus. Dieser Effekt war bei den Synbiotika tendenziell stärker ausgeprägt. Im Vergleich zu den Kontroll­gruppen mit Placebo­gabe verlor die Studien­population mit Synbiotika durchschnittlich 23,8 % mehr Körpergewicht. Extrapoliert man dies auf die Ober­grenze des 95 %-Konfidenz­intervalls für die Körperfett­masse, so könnte der Effekt sogar bei 46 % liegen. Abbildung 2 zeigt dies am Beispiel eines 100 kg schweren Patienten. In den Studien wurden Bifidobakterien und Laktobazillen als probiotische Stämme und Inulin und FOS (Fructo-Oligosaccharide) als Präbiotika eingesetzt.

Die Ergebnisse der klinischen Studien sind ermutigend und weisen auf eine Kausal­beziehung hin. Allerdings müssen in diesem Zusammen­hang auch Einschränkungen erwähnt werden. Zum einen scheint der gewichts­reduzierende Effekt bei alleiniger Einnahme von Pro- oder Synbiotika gering zu sein. Als „Verstärker“ von Basis­maßnahmen zur Gewichts­reduktion scheint der Effekt jedoch medizinisch relevant zu werden. Allerdings muss auch auf die hohe Heterogenität der Studien hingewiesen werden. Dies bedeutet, dass nicht alle Studien einen Effekt nachweisen konnten, während andere Studien einen recht großen Effekt zeigten. Dies könnte darauf zurück­zuführen sein, dass das Darm­mikrobiom im Vorfeld nicht analysiert wurde. Es ist denkbar, dass einige adipöse Patienten kein verändertes Darm­mikrobiom hatten oder die Veränderung mit einem weniger geeigneten Probiotikum behandelt wurde.

 

Einflussfaktoren auf den Effekt einer MMT zur Gewichtsabnahme

Tabelle 1: Einflussfaktoren auf den Effekt einer MMT zur Gewichtsabnahme nach Hadi et al. 2018.

Auch andere Faktoren, die sich direkt auf die Therapie auswirken, scheinen von Bedeutung zu sein (19). Tabelle 1 listet diese auf. Der Effekt der Gewichts­abnahme war größer, wenn der Ausgangs-BMI höher war. Außerdem sind Synbiotika-Präparate mit einer Vielzahl verschiedener probiotischer Stämme von Vorteil. Eine kürzere Behandlungsdauer (≤ 12 Wochen) und eine höhere Dosierung (> 2 x 108 CFU / Tag) waren ebenfalls vorteilhaft und könnten den Effekt verstärken.

Merke: Eine Mikrobiom-modifizierende Therapie (MMT) mit Lakto­bazillen und/oder Bifido­bakte­rien kann den Effekt einer Gewichts­reduktion durch Basis­maßnahmen wie Ernährungs­um­stellung und vermehrte körper­liche Aktivität um durchschnittlich ca. 24 % verstärken. Ein noch größerer Effekt scheint möglich, insbesondere wenn weitere Maß­nahmen rund um die MMT (Therapie­dauer, Dosierung, Stammauswahl) berück­sichtigt werden. Eine MMT allein ohne weitere Maß­nah­men scheint jedoch nur begrenzt wirksam zu sein.


Wie kann ein Darmmikrobiom-Test bei der Gewichtsabnahme unterstützen?

Ziel der Untersuchung des Darmmikrobioms im Zusammenhang mit Gewichts­reduktion ist vor allem die Entwick­lung einer personalisierten Therapie­strategie, um einen maximalen zusätzlichen Gewichts­reduktions­effekt durch eine Mikrobiom-modifizierende Therapie (MMT) zu erzielen.

Dazu wird zunächst untersucht, ob die Zusammensetzung des Mikrobioms tatsächlich ein Risiko für eine erschwerte Gewichts­abnahme darstellt. Dies muss nicht zwangsläufig der Fall sein. Differenzial­diagnostisch sind auch andere Ursachen in Betracht zu ziehen, die im Einzel­fall im Vorder­grund stehen können (z. B. schwere Hypothyreose). Liegt kein erhöhtes mikrobiom­bedingtes Risiko vor, kann eine unnötige Gabe von Synbiotika vermieden werden. Obwohl pro­biotische Stämme allgemein gut verträglich sind, steigt die Neben­wirkungs­rate im Vergleich zu Placebo um etwa 21 % (21). Außerdem können unnötige Therapie­kosten vermieden werden.

Abgesehen von den möglichen Nebenwirkungen einer MMT könnte eine ungezielte MMT auch zu einer Verschlechterung der Gewichtsabnahme führen. Ein erhöhter Anteil an Butyrat-bildenden Bakterien könnte zu Übergewicht beitragen, da die Verstoffwechslung von Butyrat kalorisch durchaus bedeutsam ist (9) (22) (23). Eine weitere Förderung des Wachstums dieser Bakteriengruppe durch probiotische Stämme wäre eher kontra­produktiv. Dies kann jedoch durch einen Test sicher erkannt und verhindert werden.

Schließlich kann ein Mikrobiomtest Aufschluss darüber geben, welche probiotischen Stämme thera­peutisch am besten geeignet sind. Nach dem Stand der Wissen­schaft ist der Einsatz von Lakto­bazillen und Bifido­bakterien für die Indikation einer Gewichts­abnahme sinnvoll. Mit Hilfe eines Mikrobiom­tests kann fest­gestellt werden, welche dieser Gattungen defizitär sind und auf welche Stämme daher der thera­peutische Fokus gelegt werden sollte. Dieser personalisierte Therapie­ansatz erhöht die Wahr­scheinlichkeit eines Therapieerfolgs.

Merke: Eine ungezielte MMT kann unwirksam sein und im schlimmsten Fall die Chancen auf eine Gewichtsreduktion verschlechtern. Eine personalisierte Therapie, die auf einem Mikrobiom-Test basiert, kann dagegen die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Behandlung erhöhen.


Praktische Tipps zur Mikrobiom-modifizierenden Therapie (MMT)

Ergibt der Darmmikrobiomtest eine Auffälligkeit, die mit einem erhöhten Risiko für eine erschwerte Gewichts­abnahme verbunden ist, sind nach derzeitiger Evidenzlage folgende Maßnahmen sinnvoll:

  • Je nach Testergebnis Synbiotika mit GOS/FOS oder Inulin auf Basis von Lactobazillen und/oder Bifidobakterien einsetzen.
  • Präparate mit mehreren verschiedenen Stämmen sind zu bevorzugen. Als besonders wirksam haben sich L. gasseri, L. rhamnosus, L. plantarum, B. infantis, B. longum und B. breve erwiesen.
  • Eine höhere Dosierung (mind. 2 x 109 KBE/Tag, besser 10 x 109 KBE/Tag) und eine begrenzte Behandlungsdauer (≤ 12 Wochen) sind vorzuziehen. Bei längerer Behandlungsdauer wäre eine Option, die Dosis zu reduzieren (22). In der Tat gibt es Beispiele in der Literatur, in denen gezeigt werden konnte, dass auch eine längere Behandlungsdauer erfolgreich sein kann, z. B. 9 Monate (24).
  • In den ersten zwei Wochen ist eine einschleichende halbe Dosierung zur Prüfung der Verträglichkeit ratsam.
  • Als Langzeiterhaltung nach abgeschlossener Therapie ist ein erhöhter Verzehr fermentierter Lebensmittel unter Fortführung der Basismaßnahmen eine sinnvolle Option.
  • Eine MMT ist nur in Kombination mit Basismaßnahmen wie Ernährungsumstellung mit Kalorienreduktion und/oder erhöhter körperlicher Aktivität sinnvoll.
  • Bei Patienten mit metabolischer Entgleisung (z. B. manifester Typ 2 Diabetes mellitus) wird zunächst eine medikamentöse Therapie empfohlen. Nach medikamentöser Einstellung kann dann bei entsprechendem Befund eine ergänzende MMT zur Gewichtsreduktion erfolgen.


Fallbeispiele aus dem Alltag

Fallbeispiel 1

Eine 31-jährige Patientin mit einem BMI von 32 kg/m2 stellt sich vor. Ein Diabetes mellitus Typ II liegt nicht vor. Die Patientin möchte aus kosmetischen und gesundheitlichen Gründen abnehmen. Bisher hat sie halbherzige Diätversuche ohne Erfolg unternommen. Bevor Sie ihr zu weiteren Maßnahmen raten, empfehlen Sie, einen Darm­mikrobiom-Test durchzuführen, um herauszufinden, ob eine Mikrobiom-modifizierende Therapie (MMT) sinnvoll ist.  

Darmmikrobiom-Testergebnisse, Adipositasrisiko

Abbildung 3A + B: Darmmikrobiom-Testergebnisse mit unterschiedlichen therapeutischen Konsequenzen.  

Das Ergebnis des Tests ist in Abbildung 3A dargestellt. Es zeigt ein erhöhtes Risiko für mikrobiom­bedingtes Über­gewicht. Demnach ist eine MMT eine Option neben Basis­maßnahmen zur Gewichts­reduktion. Aufgrund der normalen Lakto­bazillen und der erniedrigten Anzahl an Bifido­bakterien erscheint es sinnvoll, hochdosierte Präparate mit Bifido­bakterien zu bevorzugen. Die Therapiedauer beträgt maximal 12 Wochen nach einer zweiwöchigen Einschleichphase. Als Erhaltungstherapie eignet sich ein erhöhter Verzehr fermentierter Lebensmittel.

Fallbeispiel 2

Ein 52-jähriger Patient mit einem BMI von 33 kg/m2 stellt sich vor. Ein Diabetes mellitus Typ II liegt nicht vor. Der Patient möchte aus kosmetischen und gesundheitlichen Gründen abnehmen. Er hat bereits mehrere ernsthafte Diät­versuche hinter sich, konnte aber nie nennenswert abnehmen, im Gegenteil, er hat weiter zugenommen. Als Diätform hat er bisher eine fettarme Diät gewählt, da es im Supermarkt genügend Produkte dafür gibt. Bevor Sie ihm zu weiteren Maßnahmen raten, empfehlen Sie, einen Darmmikrobiom-Test durchzuführen, um heraus­zufinden, ob eine Mikrobiom-modifizierende Therapie (MMT) sinnvoll ist.

Das Ergebnis des Tests ist in Abbildung 3B dargestellt. Es deutet auf ein sehr hohes mikrobiom­bedingtes Adipositas­risiko hin. Demnach scheint eine MMT eine Option neben Basismaßnahmen zur Gewichts­reduktion zu sein. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Zwar sind Laktobazillen und Bifidobakterien niedrig, so dass man geneigt ist, diesen Mangel auszugleichen. Gleichzeitig ist jedoch ein erhöhter Anteil an Butyrat bildenden Bakterien nachweisbar. Während bei vielen Patienten eher ein Mangel an Bildnern von kurzkettigen Fett­säuren vorliegt, kann eine Gewichts­zunahme möglicherweise auch durch einen erhöhten Anteil an Butyrat­bildnern gefördert werden. Daher ist es sinnvoll, diese Bakterien­gruppe in der hier geschilderten Situation nicht weiter zu fördern. Denn dies würde man mit probio­tischen Stämmen tun, insbesondere mit Bifidobakterien.

Aus diesen Gründen sollten hier zunächst keine Synbiotika verordnet werden. Was die Ernährung betrifft, so hat der Patient durch eine fettarme Diät kompensatorisch mehr Kohlen­hydrate zu sich genommen. Dies hat vermutlich das Wachstum der Butyrat­bildner und eine hohe kalorische Effizienz gefördert. Eine Umstellung auf eine protein- und fettreichere Kost, z. B. eine mediterrane Kost, wäre daher empfehlens­wert. Auch der Verzehr von Lebensmitteln mit hohem GOS/FOS-Gehalt sollte reduziert werden (z. B. Bananen, getrocknete Linsen, Lauch).

Zusammenfassung

In Bezug auf den Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Adipositas wurden bedeutende wissen­schaftliche Fort­schritte erzielt. Unter bestimmten Voraus­setzungen scheint eine Mikrobiom-modifizie­rende Therapie die Gewichts­abnahme zu unterstützen. Ob diese Voraus­setzungen erfüllt sind, kann durch eine Untersuchung des Darm­mikrobioms festgestellt werden. Anhand der Zusammen­setzung der Mikrobiota können zudem personalisierte Therapie­empfehlungen gegeben werden, die die Chancen auf einen gewichts­reduzierenden Effekt erhöhen dürften.

Material und Preis

Auf Anfrage stellen wir ein spezielles Abnahmebesteck für eine Stuhlprobe zur Verfügung. Der Darm­mikrobiom-Test kostet 169,03 €. Die spezielle Auswertung zur Bestimmung des mikrobiombedingten Adipositasrisikos und die entsprechenden Therapieempfehlungen können zusätzlich angefordert werden und sind mit keinen weiteren Kosten verbunden.

 

Bildnachweis:
©troyanphoto, stock.adobe.com (Header)


Literatur

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