Der Mitochondrien-Funktionstest
Mitochondrien – die Kraftwerke der Zelle
Mitochondrien sind Zellorganellen, die auch als Kraftwerk der Zelle bekannt sind. Sie befinden sich in allen Körperzellen mit Ausnahme der Erythrozyten. Speziell in Zellen mit hohem Energiebedarf wie Herz-, Leber- und Gehirnzellen treten Mitochondrien zudem in hoher Dichte auf.
Mitochondrien besitzen eine Doppelmembran, die in eine innere und äußere Lipiddoppelschicht unterschieden wird. Während in der äußeren Membran Kanäle sitzen, die den Stofftransport zwischen Mitochondrium und Zytosol regulieren, liegen in der inneren Membran die Protein-Komplexe I-IV sowie die ATP-Synthase (Komplex V). Alle Komplexe bilden gemeinsam die Atmungskette.
Abbildung 1: Produktion von Adenosintriphosphat (ATP) über die Atmungskette
Mitochondrien erfüllen zahlreiche Funktionen wie die Einleitung der Apoptose, Synthese von Eisen-Schwefel-Clustern und Produktion von reaktiven Sauerstoff-Spezies (ROS). Die vielleicht wichtigste Aufgabe liegt jedoch in der Produktion von Adenosintriphosphat (ATP) über die Atmungskette. Der Energielieferant ATP wird für alle Stoffwechselprozesse benötigt, unter anderem für Muskelkontraktionen und die Synthese von Eiweißen und Enzymen.
Der BHI als Maß für die Mitochondrienfunktion
Der bioenergetische Gesundheitsindex (bioenergetic health index, BHI) ist derzeit der aussagekräftigste Labormarker zur Überprüfung der Mitochondrien (Chacko et al. 2014). Die Basis des Mitochondrien-Funktionstests besteht daher in der Bestimmung des BHI.
Das Prinzip basiert auf der Messung mitochondrialer Sauerstoffverbrauchsraten sowie pH-Wert Änderungen aus isolierten weißen Blutzellen. Gemessen werden hierfür die Basalatmung, ATP-Produktion, das Protonenleck, Maximalatmung, Reservekapazität sowie die nicht-mitochondriale Atmung.
Abbildung 2: Mitochondrien-Funktionstest
Die Basalatmung stellt den ersten zu messenden Parameter dar. Über sie kann erfasst werden, welche Energiemenge benötigt wird, um die Grundfunktionen der Zelle aufrecht zu erhalten. Die Basalatmung setzt sich aus der Summe der ATP-Produktion und des Protonenlecks zusammen.
Bei der ATP-Produktion handelt es sich um die Menge an ATP, die bei der mitochondrialen Atmung erzeugt wird und die für die energieaufwändigen Prozesse zur Verfügung steht. Das Protonenleck beschreibt die Durchlässigkeit der inneren Mitochondrienmembran gegenüber Protonen. Im Optimalfall gehen wenig Protonen ungezielt durch die Mitochondrienmembran, sondern gehen durch die ATP-Synthase, damit ATP erzeugt wird. Wenn jedoch vermehrt Protonen aus dem Intermembranraum zurück in die Matrix diffundieren, verringert sich der Protonengradient und somit auch die ATP-Produktion.
Um die ATP-Produktion zu ermitteln, wird das Protonenleck gemessen und von der Basalatmung abgezogen. Dafür werden die Zellen Oligomycin ausgesetzt, welches die ATP-Synthase hemmt. Die anschließend gemessenen Sauerstoffverbrauchsraten sind somit ausschließlich auf das Protonenleck zurückzuführen.
Als nächstes wird die Maximalatmung gemessen. Hierzu entkoppelt man die Atmungskette durch die Zugabe von FCCP. Dies hat zur Folge, dass die Funktionsweise der Komplexe I–IV zwar vollständig abläuft, jedoch der dadurch aufgebaute Protonengradient aufgehoben wird. So wird nicht nur kein ATP mehr erzeugt, es werden auch die Komplexe I–IV maximal angetrieben, sodass sich der Sauerstoffverbrauch maximal erhöht. Dadurch kann man die Maximalatmung bestimmen. Die Differenz aus Maximalatmung und Basalatmung wird als Reservekapazität bezeichnet. Die Reservekapazität zeigt an, in welchem Maß die Mitochondrien in der Lage sind, einen erhöhten Bedarf an ATP zu decken.
Zuletzt wird die nicht-mitochondriale Atmung bestimmt. Dafür werden alle Enzymkomplexe der Atmungskette mittels Rotenon und Antimycin A blockiert. Der anschließend gemessene Sauerstoffverbrauch geht ausschließlich auf Prozesse außerhalb der Mitochondrien zurück. Bei dieser nicht-mitochondrialen Atmung entstehen freie Radikale, welche die Mitochondrien in übermäßiger Anzahl schädigen können.
Der BHI fasst die einzelnen Parameter in einen einzigen Wert zusammen, der die Leistungsfähigkeit der Mitochondrien bewertet. Aufgrund seiner hohen Sensitivität dieser auch als Verlaufskontrolle genutzt werden kann.
Indikationen für die Analyse des Mitochondrienfunktionstest
Erkrankungen, die mit einer mitochondrialen Dysfunktion einhergehen können:
- Postakutes Infektionssyndrom (PAIS, z. B. Long-/Post-COVID)
- CFS (Chronic Fatigue Syndrom)
- Chronisch entzündliche Erkrankungen (Autoimmunerkrankungen z. B. Diabetes)
- Mitochondriale Leistungskapazität von Sportlern und Überwachung von Trainingserfolgen
- Verlaufskontrolle bei der Therapie mitochondrialer Leistungsdefizite
Präanalytik und Kosten
Die Messung des Mitochondrien-Funktionstests erfolgt aus Li-Heparin-Vollblut. Für die Analyse werden ca. 15 ml Material benötigt.
Die Präanalytik für diesen Test ist zeitkritisch und die Messung sollte innerhalb 24 h erfolgt sein.
Wir bieten die Blutentnahme in unserem Labor an. Bei Fragen zum Test oder Terminanfrage für eine Blutentnahme nehmen Sie bitte Kontakt mit unserem Kundenserviceteam auf.
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Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie in unserer Broschüre:
Labor-Dr-Bayer-Mitochondrien-Funktionstest (PDF 3,3 MB)
Literatur:
Chacko B.K. et al. (2014), The Bioenergetic Health Index: a new concept in mitochondrial translational research. Clin Sci (Lond) 127 (6): 367–373. doi: https://doi.org/10.1042/CS20140101
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