Pflanzliche Öle und ihr Beitrag zur Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren
Fette gehören neben Kohlenhydraten und Eiweiß zu den Hauptkomponenten unserer Nahrung. Fette haben in der Öffentlichkeit einen schlechten Ruf. Sie gelten als „Dickmacher“ und als Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen.
Diese Betrachtungsweise ist jedoch einseitig, denn Fette erfüllen lebenswichtige Funktionen als:
- wichtige Energieträger und mengenmäßig bedeutendste Energiereserve
- unersetzliche Baustoffe der Biomembranen von Zellen und Organellen
- Substanzen der mechanischen und elektrischen Isolierung von Zellen
- Präkursoren für Prostaglandine und Leukotriene als hormonähnliche Substanzen mit wichtigen Regulationsfunktionen.
Nahrungsfette bestehen überwiegend aus Triglyceriden, die im Duodenum durch Gallensalze emulgiert, durch Lipasen zu Monoglyceriden und freien Fettsäuren gespalten und in dieser Form resorbiert werden. Die Fettsäuren sind strukturell unterschiedlich und können, wie in Abbildung 1 dargestellt, in verschiedene Gruppen eingeteilt werden.
Abbildung 1: Systematik der Fettsäuren
Fettsäuren haben sehr unterschiedliche biochemische Funktionen, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sogar antagonistische Wirkungen.
Die Nahrungsaufnahme stellt die primäre Quelle für Fette und damit für Fettsäuren dar, auch wenn der menschliche Organismus zu einer endogenen Synthese von gesättigten und in eingeschränkten Umfang auch von einfach ungesättigten Fettsäuren aus Grundbausteinen wie Glucose befähigt ist. Die mehrfach ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren können auf diesem Weg nicht gebildet werden.
Fett- und Fettsäureaufnahme über die Nahrung
Die D-A-CH-Referenzwerte (D-A-CH, 2021) für die Nährstoffzufuhr nennen einen Richtwert für die Fettaufnahme bei Erwachsenen von 30 Energieprozent (En%). Dies entspricht bei einer Kalorienzufuhr von 2.000 kcal/Tag einer Fettaufnahme von maximal 65 g/Tag.
Betrachtet man die Änderung der Fettzufuhr zwischen den Jahren 1800 und 2000, so sieht man einen Anstieg der Fettaufnahme auf 35–40 % der Energiezufuhr. Deutlich ansteigend ist auch die Aufnahme der gesättigten Fettsäuren. Die physiologisch wichtigen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren weisen um 1800 noch ein Omega-6-/Omega-3-Verhältnis von ca. 2:1 auf, während es 2000 bei ca. 10:1 lag und damit deutlich über den Empfehlungen von 5:1 (Omega-6-/Omega-3) der Ernährungsgesellschaften (D-A-CH, 2021).
Abbildung 2: Änderung der Aufnahme von Fett und Fettsäuren (FS) im 19. und 20. Jahrhundert
Es ist daher anzustreben, die Zufuhr von gesättigten und von Omega-6 Fettsäuren zu reduzieren und die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren zu verbessen. Die zunehmende Dysbalance zwischen der Zufuhr von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren hat auch erhebliche gesundheitliche Auswirkungen, z. B. hinsichtlich der Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen durch Omega-3-Fettsäuren.
Die Aufnahme von gesättigten und mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäuren sollte vermindert, die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren erhöht werden.
Fettsäurezusammensetzung pflanzlicher Öle
Bei der diätetischen Optimierung der Fett- und Fettsäurezufuhr spielen pflanzliche Öle eine bedeutende Rolle. Ihre Zusammensetzung ist sehr unterschiedlich, und deren Kenntnis ist für eine gezielte Nahrungsauswahl wichtig.
Abbildung 3 zeigt die Anteile gesättigter, einfach ungesättigter Omega-9-(ω-9) und mehrfach ungesättigter Omega-3-(ω-3) und Omega-6-(ω-6)Fettsäuren in 12 häufig verwendeten Ölen.
Abbildung 3: Fettsäurezusammensetzung verschiedener gebräuchlicher Pflanzenöle. Bei den Angaben handelt es sich um Durchschnittswerte, die nach Anbaugebiet, Erntejahr, Verarbeitung, etc. schwanken können.
Gesättigte Fettsäuren
Gesättigte Fettsäuren finden sich vorwiegend in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Wurst, Schmalz und Milch sowie Milchprodukten. Während die DGE (DGE-Leitlinie 2015) empfiehlt, dass die Zufuhr von gesättigten Fettsäuren 7–10 % der Gesamtenergiezufuhr nicht überschreiten soll, liegen die aktuellen Werte bei 15–16 %.
Pflanzliche Nahrungsmittel enthalten nur wenig gesättigte Fettsäuren und der Ersatz von tierischen durch pflanzliche Fette kann einen wichtigen Beitrag zur Absenkung der Aufnahme von gesättigten Fettsäuren leisten. In Ölen liegen die gesättigten Fettsäuren überwiegend als langkettige gesättigte Fettsäuren vor, vor allem Palmitinsäure (16 C-Atome, keine Doppelbindung, C 16:0) und Stearinsäure (C 18:0). Die prozentualen Anteile gesättigter Fettsäuren schwanken zwischen 7 (Rapsöl) und 20 (Arganöl) %.
Sonderfall Kokosöl
Zwar besteht Kokosöl zu bis zu 89 % aus gesättigten Fettsäuren, doch liegen diese z. B. nur zu ca. 10 % als Palmitinsäure vor, während sog. mittelkettige Fettsäuren, wie Laurinsäure (C 12:0) mit ca. 45–50 % überwiegen. Ebenso finden sich kurzkettige Fettsäuren wie Capronsäure (C 6:0), Caprylsäure (C 8:0), und Caprinsäure (C 10:0), die beiden letztgenannten mit einem Anteil von je ca. 8 %. Kokosöl ist bei Raumtemperatur fest (Schmelzpunkt ca. 25 ⁰ C).
Die vermehrte Verwendung pflanzlicher Fette (Öle) bei gleichzeitiger Einschränkung tierischer Fette reduziert die Aufnahme gesättigter Fettsäuren.
Einfach ungesättigte Fettsäuren (Omega-9)
Ölsäure (C 18:1) ist die mengenmäßig mit Abstand häufigste Omega-9-Fettsäure in Ölen, z. B. mit einem Anteil von 75 % im Olivenöl. Das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren liegt mit 9:1 in einem mittleren Bereich. Auch Rapsöl ist mit 62 % reich an Ölsäure bei einem gleichzeitig mit 2:1 günstigen Omega-6/Omega-3-Verhältnis, während Arganöl mit 45 % Ölsäure ein sehr hohes (340:1) und damit ungünstiges Omega-6/Omega-3-Verhältnis hat.
Olivenöl, vor allem in der Qualitätsstufe „Extra Virgine“, hat positive gesundheitliche Wirkungen. Es wirkt protektiv gegen kardiovaskuläre Erkrankungen, reduziert LDL und erhöht HDL, senkt proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-6, TNF-α) und hat günstige Wirkungen auf die intestinale Mikrobiota mit einer Erhöhung der Diversität (Übersicht bei Gaforio et al., 2019; Marcelino et al., 2019). Durch seinen hohen Rauchpunkt von 190–210 ⁰C ist es auch zum Backen und Frittieren geeignet. Olivenöl und Rapsöl eignen sich dazu, Öle mit einem hohen Omega-6/Omega-3-Verhältnis zu ersetzen und dadurch das Gleichgewicht zwischen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren günstig zu beeinflussen.
Öle, reich an Ölsäure, haben eigenständige gesundheitliche Wirkungen, können Omega-6-reiche Öle ersetzen und das Omega-6/Omega-3-Verhältnis günstig beeinflussen.
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren: Omega-3 und Omega-6
Die mehrfach ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sind essentiell und müssen daher ständig, in ausreichendem Maß und in einem ausgewogenen Verhältnis über die Nahrung zugeführt werden. Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren können nicht in einander umgewandelt werden.
Mehrfach ungesättigte Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren müssen ständig, in ausreichendem Maß und in einem ausgewogenen Verhältnis über die Nahrung zugeführt werden.
Die Empfehlungen der Ernährungsgesellschaften (D-A-CH, 2021) nennen ein wünschenswertes Verhältnis bezüglich der Aufnahme von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren (nachfolgend Ratio genannt) von 5:1.
Von den in Abbildung 3 dargestellten pflanzlichen Ölen hat Leinöl den weitaus höchsten Gehalt (ca. 55 %) an α-Linolensäure bei einer Ratio von 4:1. Noch etwas höhere Gehalte (ca. 60 %) finden sich in Chiaöl (aus der in Mittelamerika angebauten Chia-Pflanze) bzw. in Perillaöl (aus der in Südostasien angebauten Perillapflanze). Chia- und Perilla-Produkte werden häufig als sog. „Superfood“ bezeichnet. Mit Leinöl steht jedoch eine heimische Alternative zur Verfügung.
Auch Rapsöl, Hanföl und Walnussöl haben eine sehr günstige Ratio Omega-6/Omega-3, während Öle wie Maiskeimöl, Sonnenblumenöl, Distelöl und vor allem Arganöl eine ungünstige Ratio aufweisen.
Leinöl, Rapsöl, Hanföl und Walnussöl können die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren verbessern, während Maiskeim-, Sonnenblumen-, Distel- und Arganöl eher ungünstig sind.
Während α-Linolensäure und Linolsäure vor allem über pflanzliche Lebensmittel aufgenommen werden, erfolgt die Zufuhr von langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren primär über tierische Produkte, vor allem fetter Fisch, bzw. über Nahrungsergänzungsprodukte wie Fischöl oder das vegane Algenöl.
Nach dem in Abbildung 4 dargestellten Schema können prinzipiell vom menschlichen Organismus auch langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren gebildet werden. Das Ausmaß dieser Bildung von Omega-3-Fettsäuren wie Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) aus α-Linolensäure bzw. der Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure (AA) aus Linolsäure ist jedoch limitiert. Die kann darauf beruhen, dass die hierfür erforderlichen Desaturasen und Elongasen beim Menschen – im Gegensatz zu manchen Tierspezies (z. B. Fischen) – eine geringe Aktivität ausweisen. So kann α-Linolensäure nur sehr eingeschränkt zu EPA und praktisch gar nicht zu DHA umgewandelt werden (Burdge and Calder, 2006; Stossier und Bayer, 2009).
Abbildung 4: Metabolisierungswege der Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren aus den Ausgangssubstanzen Linolsäure und α-Linolensäure
Die endogene Bildung langkettiger mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus a-Linolensäure und Linolsäure ist beim Menschen limitiert.
Die langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA haben einen festen Stellenwert in der Prävention und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen, haben antiinflammatorische Wirkungen bei chronisch entzündlichen Erkrankungen und werden bei zahlreichen weiteren Indikationen eingesetzt (siehe z. B. Guo et al., 2019, Harris et al., 2021).
Wenngleich in der kardiovaskulären Prävention EPA und DHA im Vordergrund stehen, wurden in den letzten Jahren jedoch vermehrt Arbeiten publiziert, die z. B. bei kardiovaskulären und entzündlichen Erkrankungen und hinsichtlich einer Verminderung des Diabetes-Typ-2-Risikos (Cavina et al, 2021, Fleming and Kris-Etherton, 2014, Sala-Vila et al., 2022) auch für α-Linolensäure positive gesundheitliche Effekte einer höheren Aufnahme belegen.
Während das Omega-6-reiche Sonnenblumenöl die Bildung proinflammatorischer Zytokine begünstigt (Masi et al., 2012), hat Leinöl eine antiinflammatorische Wirkung mit Absenkung der Serum IL-6-Konzentrationen (Akrami et al., 2020) bei Patienten mit metabolischem Syndrom.
α-Linolensäure hat anti-entzündliche Wirkungen und kann zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen beitragen.
Fazit
Die Fettaufnahme in Deutschland liegt über den Ernährungsempfehlungen. Dies gilt vor allem für gesättigte sowie mehrfach ungesättigte Omega-6-Fettsäuren, während die Aufnahme mehrfach ungesättigter Omega-3-Fettsäuren niedrig ist und erhöht werden sollte.
Mehrfach ungesättigte Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sind essentiell, können also vom Menschen nicht selbst gebildet werden und müssen ständig, in ausreichendem Maß und in einem ausgewogenen Verhältnis über die Nahrung zugeführt werden.
Pflanzliche Öle haben eine wesentliche Bedeutung im Hinblick auf eine optimierte Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren, wobei Leinöl, Rapsöl, Hanföl und Walnussöl günstig, Maiskeim-, Sonnenblumen-, Distel- und Arganöl eher ungünstig sind.
Die positiven biomedizinischen Wirkungen von α-Linolensäure, unabhängig von EPA und DHA, konnten in den vergangenen Jahren zunehmend herausgearbeitet werden.
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Weitere Publikation zum Thema:
Broschüre Fettsäuren (PDF 2 MB)
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Literatur:
Akrami, A. et al.: A comparative study of the effect of flaxseed oil and sunflower oil on the coagulation score, selected oxidative and inflammatory parameters in metabolic syndrome patients. Clin. Nutr. Res. 2020; 29: 63–72
Burdge, G. C. and Calder, P. C.: Dietary alpha-linolenic acid and health related outcomes: a metabolic perspective. Nutr. Res. Rev. 2006; 19: 26–52
Cavina, M. et al.: Supplementation with alpha-linolenic acid and inflammation: a feasibility trial. Int. J. Food. Sci. Nutr. 2021; 72: 386–390
D-A-CH: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Umschau-Braus-Verlag, 7. Auflage, 2021
DGE-Leitlinie „Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsbedingter Krankheiten, 2. Version 2015
Fleming, J. A. and Kris-Etherton, P. M.: The evidence for α-linolenic acid and cardiovascular disease benefits: Comparisons with eicosapentaenoic acid and docosahexaenoic acid. Adv. Nutr. 2014; 5: 863S–876S
Gaforio, J. J. et al: Virgin olive oil and health: Summary of the III. international conference on virgin olive oil and health consensus report. Nutrients 2019; 11: 2039, doi: 10.3390/nu11092039
Guo, X. F. et al.: Effects of EPA and DHA on blood pressure and inflammatory factors: a meta-analysis of randomized clinical trials. Crit. Rev. Food Sci. Nutr. 2019; 59: 3380–3393
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Masi, L. N. et al.: Sunflower supplementation has proinflammatory effects and does not reverse insulin resistance in obesity induced by high-fat diet in C57BL/6 mice. J. Biomed. Biotechnol. 2012; 945131, doi: 10.1155/2012/945131
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Sala-Vila, A. et al.: Impact of α-linolenic acid, the vegetable ω-3-fatty acid, on cardiovascular disease and cognition. A meta analysis. Adv. Nutr. 2022; 13: 1584–1602
Stossier, H. und Bayer, W.: Studie zum Einfluss von Leinöl und Fischöl als Quellen für Omega-3-Fettsäuren auf den Fettsäurestatus. Zs. f. Orthomol. Med. 2009; 7: 11–15