Strukturierte Labordiagnostik beim Reizdarmsyndrom: Differenzialdiagnose, Mikrobiom und personalisierte Therapieansätze

Autor: Prof. Dr. med. MSc. Matthias Willmann
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Das Reizdarmsyndrom betrifft weltweit rund 11 % der Bevölkerung und belastet Alltag und Gesundheitsversorgung erheblich. Unser neuer Fachbeitrag ordnet das Krankheitsbild praxisnah ein und zeigt, wie strukturierte, stufenweise Labordiagnostik Differenzialdiagnosen klärt und individuelle Therapiepfade eröffnet – vom Basis-Screening bis zur Mikrobiom-gestützten Strategie. Entsprechende diagnostische Laborprofile finden Sie auf unserem Auftragsschein Evidenzbasierte Laborprofile für die Praxis.
Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist eine weit verbreitete Erkrankung (1). Nach der S3-Leitlinie liegt ein RDS vor, wenn über mindestens drei Monate anhaltende oder immer wiederkehrende Darmbeschwerden bestehen, die meist mit Veränderungen des Stuhlgangs einhergehen – wie Durchfall, Verstopfung oder einem Wechsel zwischen beidem (2). Dabei handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose.
Diese Definition unterscheidet sich etwas von den international gebräuchlichen Rom-IV-Kriterien, verfolgt aber einen praxisorientierten Ansatz für die ärztliche Diagnostik.
Dieser Übersichtsartikel beleuchtet eine sinnvolle, stufenweise Labor-Diagnostik. Sie kann helfen, häufige Differentialdiagnosen auszuschließen und gleichzeitig – mithilfe moderner molekularer Verfahren – personalisierte Therapien für Patienten mit RDS zu entwickeln.
Häufige Ursachen gastrointestinaler Beschwerden – Nachweis durch einfache Stuhluntersuchung
Viele häufige Ursachen für Magen-Darm-Beschwerden lassen sich bereits durch eine Basis-Stuhluntersuchung identifizieren.
Maldigestion
Bei einer Maldigestion wird die Nahrung nicht ausreichend aufgespalten. Vor allem Fette und Eiweiße können im Dünndarm nicht richtig aufgenommen werden. Sie gelangen dann in größerer Menge in tiefere Darmabschnitte und verursachen dort Beschwerden.
Besonders häufig und oft unterschätzt sind Störungen im Gallensäurestoffwechsel. Diese betreffen möglicherweise bis zu 50 % der RDS-Patienten mit Durchfall. In diesen Fällen gelangt zu viel Gallensäure in den Dickdarm (Gallensäureverlustsyndrom), was die Schleimhaut reizt und Durchfall auslösen kann (3).
Umgekehrt kann ein Mangel an Gallensäuren (Gallensäuremangelsyndrom) ebenfalls problematisch sein – etwa 15 % der RDS-Patienten mit Verstopfung sind davon betroffen (4). Beide Störungen lassen sich durch die Bestimmung der Gallensäurekonzentration im Stuhl nachweisen.
Auch eine eingeschränkte Funktion der Bauchspeicheldrüse (exokrine Pankreasinsuffizienz) kann Beschwerden verursachen. In solchen Fällen ist die Konzentration des Verdauungsenzyms Pankreas-Elastase im Stuhl erniedrigt. Eine gezielte Enzymsubstitution kann hier helfen, die Verdauung von Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten zu verbessern (5).
Gestörte Darmbarriere („Leaky Gut“) bei Reizdarmsyndrom
Bei Patienten mit Reizdarmsyndrom (RDS) wurde in Biopsien aus dem Dickdarm eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut festgestellt. Man spricht von einer gestörten Barrierefunktion oder „Leaky Gut“ (6) (7). Ursache sind Veränderungen bestimmter Proteine, die sogenannte Tight Junctions regulieren. Das sind Zellverbindungen, die normalerweise dafür sorgen, dass die Darmwand dicht bleibt.
Diese erhöhte Durchlässigkeit kann verschiedene RDS-Symptome erklären: Sie führt zu einer erhöhten Empfindlichkeit des Darms (viszerale Hypersensitivität) sowie zur Aktivierung des Darmimmunsystems. Dies wiederum kann zu lokalen Entzündungen führen (8) (9) (10). Zur Diagnostik stehen zwei Marker zur Verfügung, die im Stuhl messbar sind: Zonulin und α-1-Antitrypsin. Mit ihrer Hilfe lässt sich ein „Leaky Gut“ objektiv nachweisen.
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) als wichtige Differenzialdiagnose
Auch bei langjährigem Bestehen von Reizdarmsymptomen sollte an bislang unentdeckte chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) gedacht werden – insbesondere an Morbus Crohn.
Ein zentraler Marker zur Abklärung ist Calprotectin im Stuhl, dessen diagnostische Aussagekraft für CED gut belegt ist (11) (12) (13). Allerdings liegt die Sensitivität bei isolierten Dünndarm-Entzündungen, wie sie bei Morbus Crohn vorkommen können, nur bei etwa 70 % (2).
Zur Verbesserung der diagnostischen Sicherheit können zusätzliche Laborparameter herangezogen werden: Lactoferrin im Stuhl eignet sich gut zur CED-Diagnostik und auch zur Verlaufskontrolle (14). Eosinophil Derived Neurotoxin (EDN), auch bekannt als Eosinophiles Protein X (EPX), kann weitere Hinweise auf eine CED liefern (15), – insbesondere auch auf das Vorliegen einer mikroskopischen Kolitis (16).
Nahrungsmittelallergien
Nahrungsmittelallergien sind immunologisch bedingte Reaktionen auf bestimmte Nahrungsmittel. Im Gegensatz dazu beruhen Nahrungsmittelunverträglichkeiten meist auf Stoffwechselstörungen und sind nicht immunologisch vermittelt.
IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien
Ein Hinweis auf eine IgE-vermittelte Allergie kann ein erhöhter Wert des Eosinophil Derived Neurotoxin (EDN) im Stuhl sein. EDN wird von eosinophilen Granulozyten freigesetzt, die bei einer klassischen IgE-vermittelten Typ-I-Allergie stark aktiviert sind. Auch wenn EDN gelegentlich auch bei nicht-IgE-vermittelten Allergien erhöht sein kann – besonders bei gleichzeitigem Leaky-Gut-Syndrom – bleibt EDN bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten in der Regel normal. Das erlaubt eine gute Abgrenzung (17).
Typisch für eine IgE-vermittelte Allergie sind Sofortreaktionen nach Nahrungsaufnahme, die sich in Magen-Darm-Beschwerden, aber auch in Hautreaktionen, Juckreiz, Schwellungen, Husten oder Schnupfen äußern können. Zur Diagnose empfiehlt sich der Haut-Prick-Test sowie der Nachweis von Gesamt-IgE und spezifischem IgE, letzteres auf Basis der Anamnese (18). Therapeutisch wird das auslösende Nahrungsmittel in einer Eliminationsdiät gemieden.
Bleibt die spezifische IgE-Diagnostik trotz erhöhtem EDN unauffällig, sollte – vor allem bei atypischer Symptomatik – auch an einen parasitären Befall gedacht werden. Hinweise darauf sind stark erhöhte Gesamt-IgE-Werte und/oder eine Eosinophilie im Blutbild.
Nicht-IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien
Bei einem Leaky-Gut-Syndrom können unvollständig abgebaute Nahrungsbestandteile in die Darmwand eindringen. Dort lösen sie über T-Zellen eine Entzündungsreaktion aus. Diese kann sowohl Magen-Darm-Symptome als auch systemische Beschwerden wie Urtikaria, Gelenkentzündungen oder Schwellungen im Mundbereich verursachen. Besonders bei der eosinophilen Ösophagitis spielt dieser Mechanismus eine wichtige Rolle (19).
In der Folge kann der Körper IgG4-Antikörper gegen bestimmte Nahrungsbestandteile bilden. Diese stellen keine Allergie auslösenden Antikörper dar, sondern gelten als Teil einer immunologischen Gegenregulation (20) (21). Ihr Nachweis kann jedoch indirekt auf eine nicht-IgE-vermittelte Allergie hinweisen – aber nur, wenn gleichzeitig ein Leaky-Gut-Syndrom besteht (22). Allein sind IgG4-Werte nicht aussagekräftig genug für eine Allergiediagnose.
Therapeutisch kann eine gezielte Meidung von Nahrungsmitteln mit hohem IgG4-Spiegel zu einer Besserung der Beschwerden führen (23)(24). In vielen Fällen können diese Nahrungsmittel später wieder eingeführt werden. Wegen der Gedächtnisfunktion der T-Zellen besteht jedoch das Risiko eines Rückfalls. Daher sollte parallel das Leaky-Gut-Syndrom behandelt werden, um die Darmbarriere zu stabilisieren und erneute Immunreaktionen zu verhindern.
Zöliakie als wichtige Differenzialdiagnose
Bei Zöliakie erkennen bestimmte Immunzellen (CD4⁺-T-Zellen) in der Dünndarmschleimhaut Gluten-Peptide, die an HLA-DQ2/8 gebunden sind. Diese Immunreaktion führt zur Ausschüttung entzündlicher Botenstoffe wie IFN‑γ und TNF‑α und verursacht eine Schädigung der Darmschleimhaut mit Malabsorption (25). Zöliakie geht stets mit einer gestörten Darmbarriere einher und sollte daher bei Nachweis eines Leaky-Gut-Syndroms unbedingt ausgeschlossen werden. Studien zufolge leiden mehr als 4 % der Patienten mit „typischem“ Reizdarmsyndrom an einer bislang unerkannten Zöliakie (2).
Die Diagnose erfolgt über IgA- und IgG-Antikörper gegen Gliadin und Gewebstransglutaminase. Die Therapie besteht in einer lebenslangen glutenfreien Ernährung.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NZWS)
Die Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität ist eine immunologische Reaktion auf Weizenbestandteile – jedoch ohne Beteiligung von IgE oder zöliakietypischen Antikörpern. Sie unterscheidet sich damit von klassischen Intoleranzen wie der Laktoseintoleranz, hat aber oft eine Verbindung zu einem Leaky-Gut-Syndrom.
Bestandteile des Weizens wie Gluten, Amylase-Trypsin-Inhibitoren, FODMAPs oder Weizenkeim-Agglutinine können die Darmbarriere schwächen und lokale Entzündungen hervorrufen. Diese können typische Beschwerden eines Reizdarmsyndroms (RDS) verursachen (26).
Zur Diagnostik kann das Darmmikrobiom analysiert werden, um die Sinnhaftigkeit einer Low-FODMAP-Diät zu beurteilen. Auch der Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Weizenkeim-Agglutinin kann einen Hinweis auf NZWS geben – beweist sie aber nicht. Die Diagnose erfolgt meist durch eine klinische Eliminationsdiät mit anschließender Provokation.
Histamin-Intoleranz (HIT)
Die Histaminintoleranz ist eine nicht-immunologische Nahrungsmittelunverträglichkeit, bei der ein gestörter Histaminabbau die Beschwerden verursacht – unabhängig vom Leaky-Gut-Syndrom. Typische Symptome treten nach dem Verzehr histaminreicher Nahrungsmittel auf und betreffen den Magen-Darm-Trakt, die Haut (Flush), den Kreislauf, das Nervensystem (z. B. Kopfschmerzen) und die Atemwege.
Histamin wird normalerweise durch zwei Enzyme abgebaut: DAO (Diaminoxidase) außerhalb der Zelle und HNMT (Histamin-N-Methyltransferase) innerhalb der Zelle. Ein Mangel dieser Enzyme – genetisch oder erworben, z. B. durch Medikamente, Alkohol oder Entzündungen – kann zur Histaminansammlung und damit zu Symptomen führen (27).
Diagnostisch wird zunächst die DAO-Konzentration im Blut bestimmt. Diese ist sehr spezifisch (97–100 %), aber nur mäßig sensitiv (60–70 %) (28). Daher wird zusätzlich die totale Histaminabbaukapazität gemessen, die auch andere Enzyme wie die HNMT einbezieht und ein umfassenderes Bild liefert.
Therapeutisch erfolgt meist eine zweiwöchige Eliminationsdiät, gefolgt von einer kontrollierten Wiedereinführung (Rechallenge) zur Diagnosesicherung (29).
Laktoseintoleranz
Bei der Laktoseintoleranz fehlt das Enzym Laktase, das Milchzucker (Laktose) im Dünndarm spaltet. Die ungespaltene Laktose gelangt in den Dickdarm und wird dort von Bakterien vergoren. Dies führt zu Beschwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall und Gasbildung (30).
In Europa sind etwa 28 % der Bevölkerung betroffen, mit teils deutlichen Unterschieden zwischen den Ländern (31). Angesichts dieser Häufigkeit sollte bei typischen Beschwerden nach dem Konsum von Milchprodukten immer auch an eine Laktoseintoleranz gedacht werden.
Die primäre, genetisch bedingte Form wird durch eine Mutation (SNP 13910C>T) im LCT-Gen verursacht und lässt sich durch einen Gentest nachweisen. Die Behandlung besteht in der Regel in einer laktosearmen Ernährung.
Ausschluss eines kolorektalen Karzinoms (CRC)
Besteht die Reizdarmsymptomatik seit weniger als 12 Monaten, sollte stets auch an ein kolorektales Karzinom als mögliche Ursache gedacht werden. Eine große Kohortenstudie mit rund 58.000 Teilnehmenden zeigte, dass bei Patienten mit neu aufgetretenen RDS-Beschwerden (< 12 Monate) das Risiko für ein kolorektales Karzinom um das 2,5-Fache erhöht ist – im Vergleich zu beschwerdefreien Personen. Bestehen die Beschwerden kürzer als 3 Monate, steigt das Risiko sogar auf das 8,4-Fache (32).
Zur Abklärung eignet sich der immunologische fäkale okkulte Bluttest (iFOBT), ein sensitiver und spezifischer Test zum Nachweis von verborgenem (okkultem) Blut im Stuhl, das ein Hinweis auf eine maligne Veränderung im Darm sein kann (33).
Veränderungen des Darmmikrobioms bei Reizdarmsyndrom (RDS)
Das Darmmikrobiom spielt beim RDS eine zunehmend anerkannte Rolle. Bakterielle Bestandteile oder Stoffwechselprodukte können die Darmbarriere schädigen und so ein Leaky-Gut-Syndrom begünstigen – mit entsprechenden RDS-Symptomen (34).
Mehr als 30 klinische Studien belegen, dass eine mikrobiommodulierende Therapie – z. B. durch Probiotika – die Beschwerden eines RDS wirksam lindern kann (35). Besteht ein Leaky-Gut-Syndrom, sollte daher stets auch eine mögliche Beteiligung der Darmflora überprüft werden.
Allerdings ist die Datenlage noch uneinheitlich: In vielen Studien wurde das Mikrobiom nicht untersucht, sodass auch Patienten ohne ausgeprägte Dysbiose behandelt wurden. Unabhängig davon können spezifische Bakteriengruppen wie sulfatreduzierende oder methanbildende Bakterien durch eine veränderte Zusammensetzung zur Symptomatik beitragen (36) (37).
Ein Darmmikrobiom-Test kann helfen, Patienten zu identifizieren, bei denen die Darmflora wahrscheinlich eine relevante Rolle spielt. In solchen Fällen ist eine gezielte Therapie sinnvoll – z. B. mit personalisierten Strategien auf Basis des Mikrobiombefunds.
Zudem kann ein solcher Test helfen zu klären, ob eine Low-FODMAP-Diät sinnvoll ist – insbesondere bei Verdacht auf Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NZWS) (38).
Zusammenfassung und diagnostischer Algorithmus bei RDS
Abbildung 1 zeigt einen labordiagnostischen Algorithmus zur Abklärung von Reizdarmsymptomatik (RDS). Grundsätzlich sollten alle in Frage kommenden Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose eines RDS gestellt wird. Abhängig von Anamnese, klinischem Bild und ersten Laborbefunden kann es jedoch sinnvoll sein, bestimmte diagnostische Schritte zu priorisieren.

Abbildung 1: Mögliches diagnostisches Vorgehen bei Patienten mit Verdacht auf ein Reizdarm-Syndrom.
Ein zentraler Baustein in der Abklärung ist das sogenannte RDS-Basisprofil, das als Stuhluntersuchung durchgeführt wird. Es liefert erste Hinweise auf Maldigestion sowie auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und ermöglicht in diesen Fällen eine gezielte weiterführende Diagnostik oder Therapie. Zusätzlich werden Marker für ein mögliches Leaky-Gut-Syndrom erfasst, ebenso wie das Eosinophil Derived Neurotoxin (EDN), das auf IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien hinweisen kann.
Wird ein Leaky-Gut-Syndrom nachgewiesen, empfiehlt sich die Durchführung des erweiterten RDS-Leaky-Gut-Profils. Hierbei erfolgt eine serologische Untersuchung auf nicht-IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien (insbesondere IgG4-Antikörper) sowie auf Zöliakie. Zeigt sich ein auffälliger IgG4-Befund, sollte ergänzend ein Darmmikrobiom-Test mit RDS-Modul erfolgen, um die potenzielle Beteiligung der Darmflora am Leaky-Gut-Syndrom abzuklären und darauf aufbauend eine personalisierte Mikrobiom-modifizierende Therapie einzuleiten. Ergibt sich hingegen kein Hinweis auf Zöliakie oder IgG4-vermittelte Sensitivitäten, kann der Mikrobiom-Test durch eine spezifische Untersuchung auf Weizenkeimagglutinin ergänzt werden, um eine Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität auszuschließen. Im Rahmen desselben Tests wird zusätzlich evaluiert, ob eine Low-FODMAP-Diät im individuellen Fall sinnvoll ist. Bleiben auch diese Untersuchungen unauffällig, sollte gemäß Abbildung 1 die weiterführende Ausschlussdiagnostik eingeleitet werden.
Ein erhöhter EDN-Wert weist auf eine mögliche IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie hin. In diesem Fall kann das RDS-Allergie-Profil zur Anwendung kommen, das gegebenenfalls durch spezifische Antigenprofile entsprechend der Anamnese erweitert wird. Auch der Ausschluss einer mikroskopischen Kolitis ist bei erhöhtem EDN von Bedeutung. Liegt zusätzlich ein stark erhöhtes Gesamt-IgE vor, sollte differentialdiagnostisch an eine parasitäre Infektion gedacht und der Stuhl entsprechend untersucht werden. Sollten auch diese Abklärungen negativ ausfallen, ist wie im vorherigen Fall die anschließende Ausschlussdiagnostik laut Abbildung 1 angezeigt.
Ergibt das RDS-Basisprofil keine Auffälligkeiten, richtet sich das weitere diagnostische Vorgehen nach der klinischen Symptomatik. Bei Verdacht auf Histaminintoleranz kann das HIT-RDS-Profil zur Abklärung herangezogen werden, das sowohl die DAO-Aktivität als auch die totale Histaminabbaukapazität misst. Eine mögliche Laktoseintoleranz lässt sich genetisch ausschließen. Bei noch nicht lange bestehenden Symptomen ist aufgrund des erhöhten Risikos besonders auf das kolorektale Karzinom zu achten, dessen Ausschluss mittels immunoogischem Stuhltest (iFOBT) erfolgt. Weitere differenzialdiagnostisch relevante gastrointestinale oder gynäkologische Erkrankungen werden in der Regel nicht primär laborchemisch, sondern bildgebend oder klinisch abgeklärt.
Erst nach sorgfältigem Ausschluss aller relevanten Differenzialdiagnosen kann die Diagnose eines Reizdarmsyndroms gestellt werden. Im Anschluss daran – oder falls zuvor noch nicht erfolgt – kann eine weiterführende Untersuchung des Darmmikrobioms sinnvoll sein. Diese dient dazu, eine mögliche Dysbiose als mitverursachenden Faktor der RDS-Symptomatik zu identifizieren. Darüber hinaus ermöglicht sie die Entwicklung individualisierter Therapiestrategien im Sinne einer Mikrobiom-modifizierenden Intervention.
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