Warum HDL-Cholesterin (HDL-C) nicht immer das „gute“ Cholesterin und die Verwendung des LDL/HDL-Quotienten in der Labordiagnostik obsolet ist

Lange Zeit wurde das HDL-C ausschließlich als „gutes“ Cholesterin betrachtet („je höher, desto besser“), was nicht selten auch in der Patienten­beratung kommuniziert wurde. Heute wissen wir, dass nicht nur niedrige, sondern auch sehr hohe Serum-Konzentrationen von HDL-C mit einer erhöhten kardio­vas­kulären Mortalität einhergehen. Hohes HDL-C kann daher nicht mehr im Sinne eines vermin­derten Risikos für athero­sklerotische kardio­vaskuläre Erkran­kungen eingestuft werden und der zum Teil in der Labor­diagnostik noch verwendete Quotient LDL/HDL dürfte obsolet sein. Weiterhin gilt, dass LDL-C der relevanteste patho­genetische Faktor für Atherosklerose-bedingte Erkrankungen ist. 

In der vorliegenden Übersicht dürfen wir Sie über den aktuellen Wissens­stand zur diagnostischen Relevanz von HDL-C informieren.

Physiologische Funktionen von HDL-C

Ca. 1/3 des Gesamt-Cholesterins kommt im Plasma in den HDL-Partikeln vor. HDL spielt eine wesent­liche Rolle (Übersicht bei von Eckardstein et al., 2023)
  • beim reversen Transport von Cholesterin aus den Makrophagen zur Leber, wo es über die Gallen­wege enteral ausgeschieden werden kann,
  • beim Endothelschutz, da es die Anheftung von Monozyten an das Endothel hemmt und endo­theliale Reparaturmechanismen unterstützt sowie anti­aggregato­rische und anti­koagulato­rische Wirkungen ausübt,
  • beim antioxidativen Schutz. Die mit HDL assoziierte Esterase Para­oxonase 1 (PON1) hemmt die Entstehung von Lipidperoxiden,
  • durch antiinflammatorische Wirkungen mit Entzündungshemmung.
Zu beachten ist, dass unter HDL eine sehr heterogene Gruppe von Lipopro­teinen zusammen­gefasst wird, die auch bio­chemisch unter­schied­liche Funktionen haben können (Grammer et al., 2016). Der im Labor gemessene Cholesterin­anteil von HDL (HDL-C) trägt zudem nur ca. 25 % zur Masse von HDL bei. Eine Messung der HDL-Subklassen könnte hier weitere diagnos­tische Infor­mationen liefern (Silbernagel et al., 2017).
 

HDL-C als Risikoindikator für kardiovaskuläre Ereignisse

a) Niedriges HDL-C
 
Niedriges Plasma-HDL-C ist mit einem erhöhten Risiko für die koronare Herz­krank­heit und athero­sklerotische kardio­vaskuläre Erkran­kungen assoziiert (Madsen et al., 2021; von Eckardstein et al., 2022) und korreliert mit kardio­vaskulären Ereignissen bei Statin-Patienten (Boekholdt et al., 2013). Der Zusammenhang zwischen HDL-C und Risiko für die koro­nare Herz­krankheit ist nicht linear. Steigt HDL-C über ca. 60 mg/dl, ist keine weitere 
Verbesserung der Prog­nose mehr nachzuweisen (Di Angelantonio et al. 2009, März, 2017).
Systematik der Fettsäuren

Abbildung 1: HDL-C-Konzentrationen und KHK-Risiko, modifiziert nach Di Angelantonio et al., 2009 und März, 2017

Auch die Effekte von Pharmaka, die HDL-C erhöhen, wie z. B. Fibrate oder Niacin (Group et al., 2014), auf kardio­vaskuläre Ereignisse sind inkonsistent. Niedriges HDL-C kann als Folge metabo­lischer Erkran­kungen auftreten und ist häufig mit einer Hyper­tri­glyceridämie assoziiert. Alkoholkonsum, Rauchen, Bewegungs­mangel und Über­gewicht begünstigen niedriges HDL-C.

b) Hohes HDL-C

Zahlreiche neuere Studien zeigen, dass nicht nur niedriges, sondern auch hohes Plasma-HDL-C mit Werten über 80 mg/dl mit einer erhöhten Gesamt- und kardio­vaskulären Morta­lität assoziiert ist (Liu et al., 2022, Trimarco et al., 2022).

Die Beziehungen zwischen HDL-C und kardiovaskulärer Mortalität zeigen einen „U-förmigen“ Verlauf mit erhöhten Risi­ken bei sehr niedrigen und sehr hohen Werten.

Hohes HDL-C kann nicht mehr als „Schutzfaktor“ eingestuft werden und der früher häufig angege­bene Quotient LDL-C/HDL-C ist nicht mehr sinnvoll.

HDL-C und nicht-kardiovaskuläre Erkrankungen

Niedriges HDL-C kann bei Patienten mit metabolischem Syndrom und Diabetes Typ 2 nachgewiesen werden sowie mit syste­mischen Entzündungs­prozessen im Zusammen­hang stehen (März et al., 2017). Wahrscheinlich ist HDL-C hier nur ein Risiko­indikator und kein ätiologisch relevanter Faktor (Grammer, 2016).

Hohes HDL-C wurde mit einem erhöhten Risiko für Demenz einschließlich M. Alzheimer assoziiert (Kjeldsen et al., 2022), wobei keine Hinweise auf eine genetische Kausalität gefunden wurden.

Hinweise für die Praxis:
Für die Diagnostik kardiovaskulärer Risikofaktoren bieten wir 3 verschiedene „Cardio-Check“-Profile an.

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Literatur

Boekholdt, S. M. et al: Levels and changes of HDL-cholesterol and apolipoprotein A-1 in relation to risk of cardiovascular events among statin-treated patients: a meta-analysis. Circulation 2013; 128: 1504–1512

Di Angelantonio et al.: Major lipids, apolipoproteins, and risk of vascular disease. JAMA 2009; 303: 1993–2000

Grammer, T. et al.: „Residuales Risiko“: Wie wichtig sind High-Density-Lipoproteine und Triglyceride? Dtsch. Med. Wochenschr. 2016; 141: 870–877

Group, H. T. C. et al.: Effects of extended-release niacin with laropiprant in high-risk patients. N. Eng. J. Med. 2014; 371: 203–212

Kjeldsen, E. W.et al.: HDL cholesterol concentrations and risk of atherosclerotic cardiovascular disease – insights from randomized clinical trials und human genetics. Biochem. Biophys. Acta Mol. Cell. Biol. Lipids2022; 1867: 159063. Doi: 10.1016/jbbalip.2021.159063

Liu, C. et al.: Association between high-density lipoprotein cholesterol levels and adverse cardiovascular outcomes in high-risk populations. JAMA Cardiol. 2022; 7: 672–580

Madsen C. M. et al.: Novel insights from human studies on the role of high-density lipoprotein in mortality and noncardiovascular disease. Arteroscler. Thromb. Vasc. Biol. 2021; 41: 128–140

März, W. et al.: Klinische Bedeutung des HDL-Cholesterins. Herz 2017; 42: 58–66

Silbernagel, G. et al.: High-density lipoprotein subclasses, coronary artery disease and cardiovascular mortality. Clin. Chem. 2017; 63: 1886–1896

Trimarco V. et al: High HDL (high density lipoprotein) cholesterol increases cardiovascular risk in hypertensive patients: Hypertension 2022; 79: 2355–2363

von Eckardstein, A. et al.: High-densitiy lipoprotein revisited: biological functions and clinical relevance. Eur. Heart J. 2022: ehac605, doi: 10.1093/eurheartj/ehac605

von Eckardstein, A. et al.: HDL – Quo vadis. Dtsch. Med. Wochenschr. 2023; 148: 627–635

 

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